Frühgeburt bedeutet für die Kinder und Mutter eine viel zu frühe und oft sehr plötzliche Trennung. Bis dahin haben sie die Entwicklung gemeinsam erlebt und waren nicht nur körperlich, sondern auch seelisch miteinander verbunden. Das Kind vermisst die Erfahrungen und Stimulierungen, die es im Mutterleib erfahren hat, die Klänge des mütterlichen Herzschlags und ihrer Stimme, die Schwingungen und Vibrationen des Fruchtwassers.
Statt diese so notwendige Geborgenheit zu erleben, ist das Kind im Inkubator isoliert und völlig unvertrauten und überflutenden Reizen ausgesetzt. Auch die Mütter vermissen es, ihre Kinder zu spüren. Sie erleben außerdem, dass sie ihre Kinder nicht selber versorgen können, haben Schuldgefühle und das Gefühl, versagt zu haben. Die Eltern sind in ständiger Sorge um das Überleben und die Gesundheit ihres Kindes.
Frühgeborene und ihre Eltern brauchen viel Unterstützung
Um sich trotz der frühen Trennung von der Mutter, der oft schmerzhaften Eingriffe und der Reizüberflutung auf der Intensivstation gut zu entwickeln, brauchen die Kinder viel Unterstützung. Die Eltern brauchen Unterstützung in der Verarbeitung der traumatisierenden Erfahrung, und beide, Kinder und Eltern, können jede Unterstützung bei einem trotz der schwierigen Bedingungen stabilen Beziehungs- und Bindungsaufbau gebrauchen.
In der Musiktherapie haben sich in den letzten Jahren verschiedene Methoden entwickelt, die sich individuell an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Eltern ausrichten. In der Arbeit mit den Kindern orientieren sie sich an ihren intrauterinen Klangerfahrungen und an der Wirkung von Klängen und Musik auf die körperliche und seelische Entwicklung. Die Stimme der Mutter spielt dabei eine große Rolle, u. a. auch für die Bindung von Mutter und Kind.
Aufbau der Bindung zum Kind
Bei der Arbeit mit den Eltern steht der Aufbau der Bindung zum Kind im Mittelpunkt. Auch das traumatische Erleben durch die zu frühe Geburt und die Ängste und Sorgen der Eltern können dabei eine große Rolle spielen. Die Eltern werden unterstützt, mit ihrem Kind über ihre Stimme – gesungen oder gesprochen – Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen. Sie können ihre Stimme auch aufnehmen, damit sie den Kindern auch in ihrer Abwesenheit vorgespielt werden kann („Auditive Stimulation“ nach M. Nöcker-Ribaupierre).
Auf den Atemrhythmus und die mimischen und gestischen Signale des Kindes abgestimmter Gesang oder Gesumm der Therapeutin stimuliert oder beruhigt das Kind, bietet Kontakt und regt zur Interaktion an und wirkt somit entwicklungsfördernd. Auch vorsichtig eingesetztes Instrumentalspiel auf speziellen Musikinstrumenten kann die physiologische Entwicklung der Kinder unterstützen.
Musiktherapie auf der Frühgeborenenstation
Musiktherapie auf der Frühgeborenenstation gibt es bis jetzt nur an wenigen Kliniken in Deutschland. Ich arbeite seit 2010 im Klinikum Links der Weser auf der Frühgeborenenstation. Im Sommer 2014 habe ich eine 3-wöchige Weiterbildung des Frühgeborenen-Musiktherapieprogramms „Rhythm, Breath and Lullaby“ in New York am Louis Armstrong Center for Music and Medicine gemacht.
(Quelle: Webseite der DMtG)